(So, extra für die Ungeduldigen unter Euch bin ich heute schon um 8 aufgestanden, um den nächsten Teil zu schreiben. Viel Vergnügen!
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Teil 12: Ankunft in Drangheim
Sobald sie ihre Kabinen erreichten, dachte jeder nur noch an Schlaf. Sie hatten schließlich die ganze Nacht hindurch gekämpft, waren gerannt, hatten allerlei erledigt. Solange sie in Aktion waren, hatten sie ihre Müdigkeit gar nicht gespürt. Nun jedoch übermannte sie die Schwäche und sie waren sofort eingeschlummert.
Durch ein unsanftes Klopfen an der Kabinentür wurden sie aus dem Schlaf gerissen. „Was ist denn nun los?“ knurrte Khamul. „Aufwachen, die Herrschaften! Wir sind in Drangheim.“ Sofort waren sie alle wach (wenn auch nicht munter) und schauten sich gegenseitig verwundert an. „Wie spät ist es denn?“ fragte Annelie „Keine Ahnung, die Armbanduhr ist noch nicht erfunden.“ Antwortete Ming „Können wir denn wirklich einen ganzen Tag geschlafen haben?“ fragte Stella. „Nein, dann wäre ich bestimmt nicht immer noch so müde.“ Sagte Khamul und gähnte. Da sie aber alle neugierig auf die ihnen noch unbekannte und von den Sturmfordern so gehasste Stadt waren, rappelten sie sich hoch, schnappten sich ihre Rucksäcke und verließen die Kabine. Vor der Tür warteten Darre und Ake, die in einer anderen Kabine übernachtet hatten. Ake schmunzelte, als er die verschlafenen Gesichter sah. „Ihr wusstet wohl nichts von der Schnellverbindung am Mittag?“ fragte er augenzwinkernd. Stella schüttelte gähnend den Kopf.
Am 12. Januar um 19:03 betraten unsere Freunde Drangheimer Boden. Es war eine kalte klare Winternacht. Der hohe Himmel war von einem Sternenmeer übersäht. Aufregung und Neugier vertrieben die Restmüdigkeit. Die Erholung auf dem Schiff hat doch einiges gebracht: Ihre Wunden waren verheilt, Ming war von seiner Krankheit nichts mehr anzusehen, jeder hatte wieder seine volle magische Energie zur Verfügung. So fühlten sie sich stark und bereit zu neuen Taten. Als sie die Stadt betraten, schauten sie unwillkürlich nach oben. Sternenhimmel – wie langweilig. Die Sterne hatten noch nicht mal eine andere Form oder Farbe. Oder konnte sich Drangheim etwa keine eigene Kuppel leisten?
Gleich neben dem Stadttor fanden sie ein großes Lagerhaus mit Fässern und Kisten. Stella war ganz aufgeregt: „Vielleicht sind magische Fässer dabei!“ Die anderen schauten fragend. „Das weiß ich noch von Deinem Mutter, Ming“ wandte sie den Blick in Richtung des jungen Elfen. „Bei manchen Fässern dringt auf magische Weise ein Teil der Flüssigkeit in ihrem Innern nach oben. Also der Schwerkraft entgegen. Wer diese Lache trinkt, kann seine Attribute magisch verbessern. Tomatensaft gibt Stärke, Blaubeersaft Magie, Zitrone gibt Geschick, Waldmeister Ausdauer, die dunkle Traube Schnelligkeit und Schneedornsaft schenkt Glück. Man muss aber vorsichtig sein. Manchmal haben sich Keime untergemischt, dies ist an einer Trübung der Flüssigkeit zu erkennen, dann wird man krank.“ Gespannt hatten alle dem Vortrag der Elfin gelauscht. Ming hat schon angefangen, die Fässer abzusuchen und eines mit einer blauen Lache gefunden, die er sofort austrank, ehe sie noch jemand anders beanspruchen könnte. Kein anderes Fass im Lagerhaus war magisch, aber in einem kleinen Hinterhof fand man ein rotes. Dieses trank nach kurzer Besprechung Khamul. Sie drehten sich gerade um und wollten wieder gehen, da rief Annelie „Halt!“, ging zwei Schritte in die dunkle Ecke hinein, bückte sich und pflückte eines dieser wertvollen Kleeblätter. Das hätte wohl beinah jeder andere übersehen.
Neben dem Lagerhaus führte ein schmaler Weg nach oben, dem die Freunde nun folgten. Sie waren schon erfahrener und gingen nicht mehr gleich in jedes Haus hinein, sondern steuerten zielgerichtet auf die größten zu. Das erste große Haus, welches sie fanden, war jedoch verschlossen. So gingen sie über eine Brücke in das nächste große, klopften an eine Tür, wurden hereingebeten und standen – direkt vor Jarl Sigmund in dessen Schlafgemach. Noch mehr staunten sie, als Ming fachkundig den Stadtportalaltar direkt neben dem Bett des Jarls erkannte, den er auch sogleich aktivierte. Das gab wieder einen heftigen Stromschlag, aber was war dieser kurze Schmerz schon gegen die Möglichkeit des magischen Reisens?
„Ist das nicht unangenehm, so einen Altar direkt neben dem Bett?“ fragte Stella. „Ach,“ winkte Sigmund ab. „Ich komme sowieso nie zum Schlafen. Immer im Stress. Was wollt Ihr denn?“ Und die vier erzählten ihre Geschichte mit den Beldonischen Horden. „Oje oje, warum landen nur immer alle Probleme bei mir?“ fragte Sigmund und begann in dem kleinen Zimmer unruhig hin und herzulaufen. „Sei werden Drangheim überrennen, unsere Armee wird nicht stark genug sein... oje oje... und ich habe mit Sturmford schon genug Ärger...“
„Wir wollen die Herrschaftshäuser Chedians vereinen. Gemeinsam könnten sie stark genug sein, um Tamur Leng und seine Horden zu besiegen.“ Warf Annelie ein. „So so, darauf läuft es also hinaus. Hm...“ Sigmund der Gestresste überlegte kurz. „Nun gut, ich werde mich Eurer Allianz anschließen, wenn Ihr zwei Dinge für mich erledigt.“ „Machen wir.“ Sagte Khamul entschlossen „Sagt uns nur, was.“ „Ja, das erste wäre... Die Sturmforder haben eine Festungsanlage vor der Stadt, die Burg Anskram. Wäre schon ganz praktisch, wenn deren Verteidigungsanlagen lahmgelegt wären. Dafür werdet ihr diesen Schlüssel brauchen, den einer unserer Spione mir besorgt hat.“ Khamul nahm den Schlüssel an. „Was wäre die zweite Aufgabe?“ fragte Annelie.
Sigmund schaute die Truppe zweifelnd an. Das nächste würden sie wohl unmöglich erfüllen können. Aber – man konnte ja nie wissen... „Nun“ er atmete noch einmal tief durch „Meine Herrschaft wird von einigen hier angezweifelt. Wenn ich die legendäre Crona Kiga hätte, die tief unten in der Kluft der Toten liegen soll... Aber viele haben schon versucht, die zu finden und noch niemand ist je zurückgekehrt.“ Die Freunde schauten zweifelnd. „Sonst noch was?“ fragte Ming ärgerlich. „also, wenn Ihr so fragt...“ sagte Sigmund, der die Ironie entweder überhört hat oder nicht hatte hören wollen „Da wäre tatsächlich noch was. Es werden immer wieder üble Gerüchte über mich in Umlauf gebracht. Ich würde sehr gern wissen, woher die kommen.“ „Wir werden uns umhören.“ Sagte Stella kurz. Dieser Sigmund wurde ihnen immer unsympathischer. Aber was half es – sie brauchten ihn schließlich. Und so trug Khamul die Aufträge wieder gewissenhaft in sein Heft ein und die vier machten sich auf, Drangheim weiter zu erkunden.
Sobald sie das Schlafgemach verlassen hatten, fing Ming an zu lachen. „Was ist so lustig?“ fragte Khamul. „Für den einen Jarl sollen wir eine marode und von Kobolden besetzte Burg zur funktionierenden Festung machen und für den anderen sollen wir die Verteidigung derselben lahm legen. Findet Ihr das nicht auch komisch?“ „Ich komme mir komisch dabei vor, an einem Tag einen Saboteur zu entlarven und am nächsten Tag einen Sabotageauftrag anzunehmen.“ Sagte Stella. Nach Lachen war ihr nicht zumute. „Ich finde das gar nicht so übel.“ Sagte Annelie. „Dadurch gleicht es sich wieder aus. Keiner zieht aus unserem Tun in diesem Krieg deutliche Vorteile. Wir bleiben neutral. Das kann in den Verhandlungen später noch wichtig sein.“ Die Freunde nickten.
Sie verließen das Gebäude durch eine zweite Tür und standen vor einer Brüstung etwa achtzig Fuß über dem unteren Teil der Stadt. Khamul kürzte unnötige Umwege einmal mehr mit seinem Schwebefall ab. „Wohin nun?“ fragte Stella. Die vier schauten sich etwas unentschlossen um. „Wenn Ihr nichts dagegen habt,“ meldete sich Ake zu Wort „Ich würde gern meinen alten Lehrer Keith Blutaxt besuchen. Er hat mich einst zum Kreuzritter ausgebildet. Und ich könnte mir vorstellen, dass er auch heute noch junge Kämpfer unterrichtet. Wir werden ihn sicherlich im Tempel finden.“ Er schaute die Freunde fragend an. Niemand hatte etwas einzuwenden, nicht einmal Ming maulte, der sich seit seiner Krankheit Ake gegenüber freundlicher verhielt.
Also gingen sie in den Tempel, wo Ake tatsächlich seinen Lehrer fand und ihn lange herzlich umarmte. Schon verdrehte Ming die Augen. So weit ging seine neue Toleranz dann doch nicht. Nachdem sich Ake dann soch irgendwann aus den Armen seines Lehrers gelöst hatte, stellte er ihm die vier Freunde mit den Worten vor: „Diese Gruppe hat eine wichtige Mission. Ich habe mich ihnen angeschlossen, da sie noch unerfahren im Kampf sind. Aber sie sind erstaunlich gut, viel besser, als man denken würde.“ Die vier grinsten, die einen verlegen, andere spöttisch.
„Hm...“ sagte der Lehrer „Wie es aussieht, ist kein Kämpfer unter ihnen. Das ist schade, sehr schade... Ich hätte nämlich einen wichtigen Auftrag für junge Kämpfer. Es gibt eine Bande von Schurken, die außerhalb der Stadt ein Lager aufgebaut habe und von dort aus immer wieder in das kleine Dorf einfallen und unsere Bürger ausrauben. Wenn die jemand vertreiben und den Leuten ihre Sachen zurückgeben könnte, der wäre es wert, sich künftig Kreuzritter zu nennen.“ Khamul trat vor. „Nun, wir mögen keine Kämpfer sein. Aber wenn Bürger bedroht werden, helfen wir gern.“ Sagte er. Annelie lächelte ihn anerkennend an und auch Stella freute sich über die engagierten Worte ihres kleinen Bruders. Ming zögerte, sagte dann aber doch nichts und Khamul schreib nun auch diesen Auftrag in sein Buch.