Da Ludwig mich hier ja nun schon vorgeschoben hat zum Kritisieren, möchte ich dies nun auch sehr ausführlich tun.
Ich bitte jetzt schon um Verzeihung, dass ich für jedes Gedicht einen neuen Post mache, aber sonst wird es verdammt unübersichtlich.
Und noch eine kleine Erklärung vorneweg, wie ich Gedichte beurteile, da es sonst vermutlich nicht verständlich ist, wie und warum ich so kritisiere: Kunst ist für mich (im Gegensatz zu Rezeguet) etwas, was aus dem Inneren eines Menschen entsteht und in mir etwas bewegt. Sei es, dass ich weine, lache, grübele, wütend werde oder kotzen muss. Das ist für mich Kunst und zeichnet auch ein gutes Gedicht aus, die Form muss sich dem Unterordnen und der Aussage dienen. Insofern kann ich auch mit dem von Ephirnion zitierten Gedicht nichts anfangen (bzw. würde es nicht als Kunst bezeichnen).
Und nun mal los, zuerst:
Christine hat geschrieben:
Nicht mein Prinz
Was schöne Blicke mir geschworen
Was 1000 Küsse mir versprochen,
hat unerwartet schmerzvoll ein einz´ger Satz gebrochen.
Noch immer spüre ich deine sanften Küsse,
kribbelnd auf meiner Haut,
höre deinen schönen Worte,
verdammt ich habe dir geglaubt.
Ich hätt es wissen müssen,
hätt ichs nur kommen sehen,
doch ich war betäubt von deinen Küssen
und nun ist es so geschehen.
Du warst wie ein wunderschöner Traum,
zogst mich in deinen Bann,
doch nun weiß ich dass du nicht der Prinz bist,
der mich glücklich machen kann.
Gefällt mir.
Hat eine tiefergehende Aussage, bewegt etwas in mir, weckt Erinnerungen (positive und negative) und Emotionen. Regt an sich näher damit zu beschäftigen, sowohl mit dem Gedicht an sich, als auch mit dem Thema.
Was mich jedoch stört, sind die Brüche im Lesefluss, die durch die unrunden Verse entstehen. Sie unterbrechen die Gedanken, die sich frei von den Worten entfalten wollen, weil der Gedankenfluss immer wieder von der Konzentrations aufs Lesen gebremst wird. Dies ist vor allem in den sehr unterschiedlichen Längen der Verse begründet.
Chrissi, hast du mal versucht, dir das Gedicht laut vorzulesen? Da müsstest du eigentlich selbst darüber stolpern.
Was diesem Gedicht noch fehlt, ist jetzt die Handwerksarbeit. Die Seele, der Sinn, der rote Faden sind da, jetzt brauchst du eine Feile, mit der du das ganze in eine angenehme Form bringst. Lies dir das Gedicht laut vor, markiere dir die Stellen, die sich nicht flüssig lesen lassen. Notiere dir die Silbenanzahlen der verschiedenen Verse, versuch die Betonungen zu markieren. Und wenn du das geschafft hast, dann versuch die Zeilen, die sich reimen, gleich zu strukturieren.
Du wirst sehen, danach läßt es sich viel besser lesen, wird runder und gewinnt dadurch an Aussagekraft, dass man beim Lesen nicht mehr stolpert.
Ich habe das mal versucht, allerdings habe ich mir nur eine halbe Stunde Zeit dafür genommen und das ist sicherlich noch weiter verbesserungswürdig. Aber es kann dir vielleicht einen ersten Eindruck geben.
Strophe 1:
8 7 8 7 + Kreuzreim. Von der Form her gut, aber mit der ersten Zeile bin ich noch nicht ganz glücklich. Im Moment fällt mir dazu aber einfach nichts mehr ein. Ich finde sie vom Text her noch nicht optimal als Einleitung, vielleicht kommt ja einem von uns noch ein Geistesblitz.
Die meiste Arbeit. Hier warst du offensichtlich noch nicht 'drin' im Gedicht, nicht im Fluss. Ich habe es auf 4 Zeilen gesetzt und ins Reimschema gepaßt. Hier habe ich sehr viel an deinem Text geändert und mir auch künstlerische Wortschöfpung erlaubt. Die letzte Zeile habe ich sehr umgestellt, hier steht das Gefühl, der Schmerz, am Anfang und danach folgt die Steigerung durch eine scheinbare Abmilderung.
Strophe 2:
8 7 8 8 + Kreuzreim. ungewöhnlich. Eigentlich wäre es besser, 8 7 8 7 zu haben, aber durch die Betonung auf dem 'verdammt' wird es beim Lesen/Aussprechen verkürzt und nimmt eigentlich nur den Raum einer Silbe ein, also sind die 8 OK und stören (meiner bescheidenen Meinung nach) den Lesefluss nicht, im Gegenteil, weiteres Verkürzen verschlechtert den Fluss.
Strophe 3:
8 7 8 7 + Kreuzreim; Inhalt und Form zusammen gepaßt. Durch die zusätzliche Parallele am Anfang der ersten beiden Verse kommt (finde ich) die Verzweiflung besser raus, sie drückt die Hilflosigkeit aus, hier dargestellt dadurch, das dem lyrischen Ich (also dem Erzähler des Gedichtes) die Worte fehlen.
Strophe 4:
7 7 7 7 und gebrochenes Reimschema (abcb). Unfertig, abgehackt, eckig, nicht melodisch, dissonant, die Schicksalszahl in Silben. Von der Form her schlecht, aber es passt sich gut zum Inhalt, stellt den Bruch dar, die Trennung und das nun etwas fehlt, was vorher da war (nämlich die 8. Silbe). Das macht den Leser unzufrieden, läßt ihn wartend zurück und so beschäftigt er sich weiter damit und sucht nach dem, was fehlt.
Lange Rede, kurzer Sinn, hier meine Version:
Nicht mein Prinz
Was mit Blicken mir versprochen,
Tausend-Küsse-Treue-Schwur
hat ein einz´ger Satz gebrochen.
schmerzvoll - mehr als eine Spur
Spüre deine sanften Küsse,
kribbelnd hier auf meiner Haut,
hör noch deinen schönen Worte,
verdammt, ich habe dir geglaubt!
Hätte es doch wissen müssen,
hätte ichs nur kommen seh'n,
war betäubt von deinen Küssen
und so ist es nun gescheh'n.
warst ein wunderschöner Traum,
zogst mich fest in deinen Bann,
weiß nun, du bist nicht der Prinz,
der mich glücklich machen kann.
Chrissi, vielleicht möchtest du eine weitere Überarbeitung an 'unserem'
Gedicht machen? Oder überhaupt, schreib mir doch mal, wie dir die Kritik gefallen hat, ob du sie verstanden hast und wenn nein, was noch unklar ist.
Und natürlich interessiert mich brennend, welche Stellen an meiner Überarbeitung dir gefallen und welche nicht
Gruss
Anni